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Ester - ein Waisenmädchen wird Königin

Von Esther Stauffer, im Februar 2021.

Dieser Artikel ist in der Gmeindposcht 1/2021 erschienen, zusammen mit vielen weiteren Artikeln zum Thema „Frauen in der Bibel“. Die ursprüngliche Fassung dieses Artikels war leider zu lange, um ihn vollständig in der Gmeindposcht abdrucken zu können. So haben wir beschlossen, ihn hier in voller Länge zu publizieren.

 

Das Mädchen Hadassa verbrachte ihre ersten Lebensjahre in einer jüdischen Familie bis beide Eltern starben – wir wissen nicht warum – und sie ein Waisenkind wurde. Ihr Cousin Mordechai nahm sie in sein Haus auf und erzog sie wie seine Tochter. So wuchs Hadassa, die von Mordechai den Beinamen Ester erhielt, zu einer jungen, hübschen Frau heran.

 

Ester lebte so mit Mordechai im Exil in Susa, einer Stadt im babylonischen Elam; hier hielten sich die persischen Könige für einige Zeit des Jahres auf. Es war zur Blütezeit des persischen Grossreiches. Ahasveros war Herrscher im Land, oder auch Xerxes, der von 486 bis 465 v. Chr. regierte.

 

Nachdem der König seine Gemahlin Waschti wegen Ungehorsam verstossen hatte, gewann Ester seine Gunst und wurde aus den auserwählten Frauen zur neuen Königin bestimmt. Ihr Pflegevater Mordechai weigerte sich, die vorgeschriebene Verehrung des Grosswesirs Haman auszuführen. Dieser wurde so zornig darüber, dass er alle Juden im persischen Reich töten lassen wollte. Mordechai bat deshalb seine Adoptivtochter Ester um Hilfe. Nach kurzem Zögern setzte sie mit grossem Mut ihr Leben ein und wagte es, vor den König zu treten. Dies war jedoch ohne Erlaubnis bei Todesstrafe verboten.

 

Mit Klugheit und Umsicht gelang es ihr, Hamans Pläne zu vereiteln und ihrem Pflegevater Mordechai zu einer Stelle am königlichen Hof zu verhelfen. Durch ihr mutiges und zugleich demütiges Handeln («Wenn ich umkomme, dann komme ich um» / Est 4,16) wurde das gesamte jüdische Volk im persischen Reich vor dem gewaltsamen Tod verschont.

 

Ester und Mordechai haben für diese wie auch für unsere Zeit Vorbildcharakter. Sie blieben sogar unter Verfolgung treu und setzten sich für das Wohl und den Schutz für Andere ein. Und obwohl Ester als Königin sicher eine bevorzugte Stelle hatte, war und blieb sie doch ein einfaches Mädchen, Ihr Einfluss war durch Gesetze (sie durfte sich dem König nicht unerlaubt nähern) doch sehr begrenzt. Aus einem Waisenkind, einer Jüdin im Exil, wurde eine Retterin des jüdischen Volkes.

Soweit eine kurze Zusammenfassung des Buches Ester.

 

 

Vergangenheit von Esther

Neben vielen Spekulationen wird eines aus dem Buch klar: Ester gehörte zur Familie von Mordechai; sie war eine Cousine, «die Tochter seines Onkels». Nach dem Verlust beider Eltern nahm Mordechai Esther zu sich. Demzufolge können wir annehmen, dass Ester ebenfalls Benjamiterin aus vornehmer Familie war. Trotzdem war der Verlust beider Eltern ein schwerer Schicksalsschlag für ein Kind, ein schmerzhaftes Erlebnis. Der Onkel nahm Ester zu sich, gab ihr ein neues Zuhause und wurde somit ihr Erzieher. Erst später heisst es, dass er sie als seine Tochter angenommen hat. Von nun an war also Mordechai der Adoptiv- oder Pflegevater.

Sicher hatte es Ester nach dem Tod der Eltern nicht einfach. Aber später sehen wir, dass sie ihren Schmerz dank Mordechais väterlicher Fürsorge überwinden konnte und zu einer reifen, demütigen Frau heranwuchs.

 

 

Ester kommt nach Susa in den Palast

Ester wird in Est 2,7 als schön von Gestalt und gutem Aussehen beschrieben. Da können wir nur erahnen, dass sie von den Vorgängen in den vorangehenden Versen (Est 2,1-7) dem Befehl des Königs und seinem Erlass auch betroffen war. Sie wurde in den Königpalast geholt. Sie konnte also nicht wählen. Viele Mädchen wurden in die Burg Susa gebracht und erlebten ein trauriges Schicksal. Und das nur, weil sie hübsch und schön von Gestallt waren.

Lasse ich mich von Gott für einen Auftrag/Dienst/Weg rufen, der mir nicht passt?

 

 

Reinigung und Pflege

Auch wenn im ganzen Buch Esther kein Wort über Gott steht, sehen wir doch seine Hand im Leben von Ester wirken. Warum wohl? Gott braucht Hegai, einen Nichtjuden, für seine Pläne. Erstens gab Hegai Ester den besten Platz im Frauenhaus. Zweitens bekam sie sieben auserlesene, also beste Mädchen, die ihr dienen sollten. Drittens schaute Hegai besonders gut darauf, dass sie die ihr zustehenden Speiseportionen bekam. Viertens erhielt sie die beste Pflege mit Myrrhe und Wohlgerüchen. Dies erinnert auch an die Braut im Hohelied (Hoh.4,6.14/5,5ff). Für Pflege steht auch das Wort Salbung; gemeint ist damit die Vorbereitung auf die Hochzeit, die in Est 2,12 und 13 näher ausgeführt wird. Fünftens beeilte sich Hegai mit der Pflege: Je früher Ester zum König kommt, desto grösser ist die Chance, die Nachfolgerin von Waschti zu werden.

Möchte nicht auch unser Himmlischer Vater, dass wir uns täglich reinigen, damit wir für das Hochzeitsfest bereit sind? Nehme ich mir die Zeit dazu?

 

 

Ihre Herkunft

Bis zu diesem Zeitpunkt verriet Ester ihre Abstammung nicht, denn Mordechai hatte ihr befohlen, sie solle dies nicht mitteilen, weil es für ihre Auswahl nicht von Bedeutung war. In Est 4,14 finden wir den Schlüssel, warum Ester die Nationalität nicht sagen durfte: Mordechai scheint – als Ester gegen ihren und seinen Willen in den Palst gebracht wird – damit gerechnet zu haben, das Gott dabei eine Absicht verfolge. Vielleicht sollte Esther eine Hilfe für ihr Volk werden. Während der ganzen Vorbereitungszeit, die Ester im Frauenpalst verbrachte, sah Mordechai täglich nach ihr, um zu erfahren, wie es ihr ging und was mit ihr geschah (Est 2,9-11).

Hat dies nicht auch Jesus versprochen: «Ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende dieser Welt»?

 

 

Ester wird für den König vorbereitet

In Est 2,12 und 13 wird uns die allgemein übliche Vorbereitung vor der Zusammenkunft mit dem König geschildert. Der Schreiber hat eine erstaunlich gute Kenntnis der persischen Bräuche. Wenn die Mädchen soweit waren, um zum König zu gehen, wurde ihnen alles, was sie verlangten, gegeben (Vers 13). Wahrscheinlich sind hier vor allem Schmuck und Kleider gemeint. Was hatte Ester für Ansprüche? Was brauchte sie, um vor den König zu treten? Demütig, wie Ester war, fragte sie Hegai. Sie vertraut ihm ganz, denn er war Experte im Königspalast, was Schmuck und Kleider anbelangte. Er wusste, was sie beim König begehrenswert machte (Vers 15). Und Ester fand Gunst bei allen, die sie sahen. Es ist einmal mehr Gottes Gunst, die sie bei allen Gunst finden lässt (Vers 17). «Und der König liebte Esther mehr als alle Frauen, und sie fand Gnade und Gunst bei ihm, mehr als alle anderen Jungfrauen. Und er setzte ihr die Krone aufs Haupt und machte sie anstelle von Waschti zur Königin» (Vers 18). Der König veranstaltete sogar ein Fest für sie.

Was gefällt nun unserem Himmlischen König wohl besser? Kleider, Schmuck (äusseres Ansehen) oder ein demütiges Herz, das ihm ganz zur Verfügung steht?

 

 

Wie erlebt Ester diese Zeit im Palast?

Ester wird nun vom Frauenpalast in die Privatgemächer des Königs Ahasveros geholt. Immer noch weiß niemand von ihrer jüdischen Abstammung, denn sie gehorcht nach wie vor Mordechai. Trotz Glanz und Gloria bleibt Ester das einfache Mädchen, ihrem jüdischen Glauben treu. Wir wissen nicht, wie viel Ester mitbekam, was mit ihrem Volk und somit mit Mordechai durch die Erhebung von Haman geschah, weil der König ihm den Siegelring überliess (der Siegelring bedeutete vollwertige Unterschriftsberechtigung des Königs). Erst als ihr gesagt wird, dass Mordechai in Sack und Asche herumläuft, reagiert sie. Ester hat Mitleid mit ihrem Pflegevater und lässt ihm Kleider bringen. Erst jetzt erfährt Ester durch Hatach, den Eunuchen, dass ihr Volk ausgerottet und vernichtet werden soll, dazu auch den genauen Betrag von 10‘000 Talent Silber, den Haman dem König übergeben will. Das Schreiben für die Provinzen lautet: »Man soll alle Juden vernichten, umbringen und ausrotten, vom Knaben bis zum Greis, Kinder und Frauen an einem bestimmten Tag, am 13. Tag des 12. Monats Adar, und ihre Habe erbeuten.» (Vers 13). Dieses Schreiben löst Wehklagen, Weinen und Fasten bei den Juden aus.

Wo lösen Umstände, Nöte bei mir Wehklagen, Weinen aus? Was mache ich damit?

 

Auf Königin Ester, die im Palast geschützt von der Aussenwelt lebt, kommt nun die grösste Herausforderung zu. Mordechai bittet sie, zum König zu gehen, um sein Erbarmen zu erflehen und bei ihm für ihr Volk Fürbitte einzulegen (Est 4,8). Die erste Antwort an Mordechai ist ein klares «Nein».

Ester handelt hier wie auch wir/ich so oft ganz menschlich, selbstsüchtig. Ich habe es gut, so wie es ist im Moment ist, such jemand anderes!

 

Esters Rechtfertigung lautet: »Alle Diener des Königs und sogar das Volk der Provinzen des Königs wissen, dass für jeden Mann oder Frau, der zum König in den Innenhof hineingeht, ohne dass er gerufen ist, nur ein einziges Gesetz gilt: nämlich, dass er sterben muss – ausser, wenn der König das goldene Zepter entgegenstreckt, damit er am Leben bleibt. Ich aber bin schon seit 30 Tagen nicht mehr gerufen worden, zum König hineinzukommen.» (Vers 11). Kurz gesagt: Ester sieht nur eine kleine Chance, dass der König ihr das goldenen Zepter hinstreckt, sind es doch schon fünf Jahre, seit sie Königin ist und im Palast wohnt und die Liebe schon recht erkaltet. Mordechais Antwort ist zum ersten Mal kein Befehl, sondern harte Tatsache mit Respekt und Wertschätzung: «Bilde dir nicht ein, dass du im Palast des Königs entkommen könntest, du allein von allen Juden» usw. (Verse 13 und 14). Mordechai gibt Ester klar zu verstehen, dass sie auf jeden Fall sterben muss, ausser der König wird umgestimmt.

Was geht/läuft hier gedanklich wohl in Ester ab? Was geht gedanklich mit dir ab, wenn diese Botschaft von Mordechai an dich gerichtet würde?

 

 

Ester entscheidet, sich zu demütigen und fastet

Ich staune über die mutige Antwort von Ester. Sie antwortet Mordechai: «Geh, versammle alle Juden, die sich in Susa finden lassen, und fastet für mich und esst nicht und trinkt nicht drei Tage lang, Nacht und Tag. Auch ich will mit meinen Dienerinnen so fasten. Und dann will ich zum König hingehen, entgegen dem Gesetz. Komme ich um, so komme ich um.» Diesmal gehorcht Mordechai Esther, denn es heisst: «Und Mordechai ging weg und handelte genauso, wie es ihm Ester aufgetragen hatte.» Und Ester? Sie nahm ihre Dienerinnen, die wahrscheinlich keinen jüdischen Hintergrund hatten und betete und fastete mit ihnen, denn sie wusste, dass auch sie Reinigung und Weisheit brauchte, bevor sie unerlaubt ohne Anmeldung zum König gehen konnte.

 

 

Ester geht zum König

Am dritten Tag macht Ester sich bereit, während die Juden in Susa immer noch beten und fasten (Est 4,16). Eine Mauer des Gebets umgibt Ester, als sie sich königlich schmückt und ihre Krone aufsetzt. Auf ihrer Seite tut sie alles, was ein Mensch tun kann. Nun betritt sie zur Audienzzeit den Hof des Königpalastes, gegenüber dem Könighaus, denn von dort aus sieht man bereits den König auf dem Thron sitzen. Darum war es verboten, den Hof zu betreten. Weil der König Ester schon im Hof erblickt, findet sie – noch bevor sie vor ihm steht – Gnade in seinen Augen. Als Ester nun vor dem Thron erscheint, streckt er ihr das Zepter entgegen. Dies ist alles andere als normal; vielmehr wird der König von Gott gelenkt. Hört ihr den riesigen Stein, der von Esters Herz fällt? Oder wusste sie schon vorher, dass sie Gnade erhalten würde (Est 5,1-3)? Das ist aber nur der erste Schritt zur Befreiung ihres Volkes. Was darf es mich kosten oder was bin ich bereit zu opfern, zu tun, damit sich etwas ändert in meinem Umfeld, in meiner Situation oder im Dorf?

 

 

Die Weisheit von Ester

Für die weiteren Schritte öffnet nun der König die Tür, denn er begreift, dass Ester als Bittstellerin kommt. Er beginnt das Gespräch und fragt: «Was hast du, Königin Ester»? Indem er sie als Königin anredet, gibt er zu erkennen, dass er sie auch als solche behandeln wird. «Und was ist dein Begehren»? Er bietet Ester sogar die Hälfte seines Reichs an, nur weil es ihm so wichtig ist, dass er die Bitte von Ester in Erfahrung bringen kann.

Siehst du das Herz des Vaters im Himmel für dich? ER möchte an deinem ganzen Leben, ob Sorgen oder Freuden, teilnehmen. Es verlangt ihn nach dir.

 

Damit der König diese Bitte in Erfahrung bringt, lässt er sich auf ein Ess- und Trinkgelage ein. Er gibt Ester sogar Raum für ein zweites Mahl mit ihm. Von diesem Zeitpunkt an bis zum zweiten Essen mit dem König ist Gott im Hintergrund ganz schön am Wirken (Est 5,9 bis 6,14). Ester trägt erst beim zweiten Ess- und Trinkgelage ihre Bitte dem König vor, nachdem er ihr nochmals die Hälfte seines Reichs anbietet. Sie formuliert ihre Bitte mit viel Weisheit und gewählten Worten: «Wenn ich Gnade vor deinen Augen gefunden habe, o König, und wenn es dem König gefällt, so möge mir auf meine Bitte hin mein Leben geschenkt werden, und auf mein Begehren hin meinem Volk! Denn ich und mein Volk sind verkauft, um vernichtet, umgebracht und ausgerottet zu werden. Ja, wenn wir Sklaven und Sklavinnen verkauft worden wären, hätte ich geschwiegen, denn dann wäre es der Bedrängnis nicht wert, den König deswegen zu belästigen».

 

 

Die Wende durch Ester

Gottes Handel ist hier noch nicht zu Ende, ein Ereignis folgt dem andern. Haman wird gehängt. Der König lässt sich auf das Lager von Ester fallen und umfasst ihre Füsse, vermutlich ein alter Brauch, der intensives Bitten zum Ausdruck bringt. Daraufhin darf sie ins Haus von Haman ziehen, das nun frei ist. Nun hat Ester genug Vertrauen zum König, so dass sie ihm auch mitteilen kann, was Mordechai für sie war. Und der König gibt Mordechai den Ring, den er vorher Haman überlassen hatte. Ester bittet nochmals den König, fällt zu seinen Füssen, diesmal nicht für sich, sondern unter Tränen fleht sie ihn für ihr Volk an (Est 8,3-6). Am Ende von Esters Auftrag erfolgt ein Zusammentreffen von Mordechai mit dem König. Dieser überträgt nun das weitere Vorgehen an die beiden. Sie sollen nun eine neue Verfassung schreiben, um das Volk der Juden zu retten (Est 8,3-14).

Lass ich mich wie Ester von Gott führen und leiten, Schritt für Schritt in speziellen Situationen oder auch im Alltag?

 

 

Was hat das mit meinem/deinem Leben zu tun?

Das Leben von Ester begleitet mich schon viele Jahre, ihre Hingabe, Treue, Demut und ihr Gehorsam gegenüber Mordechai (für mich ein Bild für den Vater im Himmel), auch das Suchen von Gott im Fasten, ja sogar bis zum Niederlegen ihres Lebens für ihr Volk, damit es nicht ausgerottet wird. Lassen wir uns doch wie Ester von Gott die Augen öffnen, damit wir wissen und sehen, was er mit mir und dir in dieser Zeit noch vorhat. Stell dich ihm wieder ganz neu zur Verfügung, genau für diese Zeit, ja, gerade in dieser speziellen Zeit! Es ist eine Herausforderung. Dies war es auch für Ester, und das ist gut so. Es darf uns etwas kosten.